Online-Gottesdienst für den 19. September

Gebet:  Barmherziger Gott, lieber Vater im Himmel, deine Barmherzigkeit können wir nicht verstehen. Warum schenkst du sie uns immer wieder? Trotz unserer Fehler und Versäumnisse, trotz der vielen Umwege, die wir gehen, oft genug an dir vorbei und ohne dich?
Wir danken dir für deine Güte und bitten dich um deine Nähe, heute und alle Tage unseres Lebens.

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Liebe Gemeinde!

Wir sind im Jahr 587 vor Christus. Die Babylonier haben den Staat Juda ausgelöscht. Die Stadt Jerusalem und der Tempel ist teilweise zerstört. Das Volk sitzt nun da. Staubig ist die Straße. Gelähmt von den Ereignissen. Sie können den Blick nicht heben. Noch nicht einmal innerlich. Groß ist die Not. Zuviel war passiert. Damals vor gut 2500 Jahren in der Stadt Jerusalem. Der Tempel zerstört, die Mauern der Stadt geschliffen. Menschen, die arbeiten könnten, Handwerker und kluge Beamte fehlen: ins Exil deportiert. Den Kindern fehlen die Eltern, den Alten und Kranken die Versorger und allen die Hoffnung. Stumm hallt der Schrei durch die Gassen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gott scheint abwesend. Ein Mann geht durch die Straßen. Jeremia heißt er – Er sieht die Not, die Trauer, die Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung. Er sieht die Menschen an. Nimmt sie ernst. Was soll er sagen, was kann er sagen?  Müde geht er raus vor die Stadt. In der Stille und in der Dunkelheit will er beten: Gott, wie sollen wir dich preisen? Tief ist der Schmerz. Wir schreien zu dir.      Lobsingen wollen wir dir!      Aber dein Zorn? Du versprichst doch lebenslange Gnade. Aber wir sind heute verzweifelt. Verwandle unsere Klage in Freude und lass Licht unser Herz durchströmen. Als Jeremia wieder die Augen öffnet wird es hell, der Hahn kräht. Er geht wieder durch die Straßen. Er sieht wieder die Not, die Trauer, die Hoffnungslosigkeit. Er sieht wieder die Menschen an. Nimmt sie ernst und spricht sie an. Leise und sanft ist seine Stimme, fast engelgleich: 22 Von Gottes Güte kommt es, dass wir noch leben. Sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende, 23 seine Liebe ist jeden Morgen neu und seine Treue unfassbar groß. 24 Ich sage: Der Herr ist mein Ein und Alles; darum setze ich meine Hoffnung auf ihn. 25 Der Herr ist gut zu denen, die nach ihm fragen, zu allen, die seine Nähe suchen. 26 Darum ist es das Beste, zu schweigen und auf die Hilfe des Herrn zu warten. 31 Der Herr verstößt uns nicht für immer. 32 Auch wenn er uns Leiden schickt, erbarmt er sich doch wieder über uns, weil seine Liebe so reich und groß ist.

Liebe Gemeinde!

„Darum ist es das Beste, zu schweigen und auf die Hilfe des Herrn zu warten.“ Jeremia versucht die Menschen zu trösten. Aber: Ist das, was Jeremia sagt, nicht viel mehr, als ein Blick nach oben, weil er die Not unten nicht mehr ertragen kann. Nicht ganz, Jeremia gibt mit diesen Worten seine Erfahrungen mit Gott weiter. Diese Worte sind an Menschen gerichtet, die in schwieriger Zeit leben. Menschen, die kaum eine Perspektive für die Zukunft haben und die nicht wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Alles, was ihnen bisher Sicherheit gab, war zerschlagen. Dieses Wort richtet sich an Menschen, die eine der dunkelsten Stunden ihres Lebens erleben und sich die Frage stellen: Gibt es noch Hoffnung für uns? Der Prophet Jeremia ist überzeugt davon, so wie Gott einst ihn aus der Gewalt seiner Feinde gerettet hat, so wird Gott auch das Volk aus der schweren Lage befreien, darum wartet einfach ab! Es geht ihm um die Hoffnung und Gewissheit, dass Gott dem Volk Israel hilft. Und aus der Geschichte wissen wir, dass er tatsächlich geholfen hat. Das ermutigt mich, nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen und Alltäglichen auf die Hilfe Gottes zu hoffen. Es ist gut, wenn man von seiner eigenen Hilflosigkeit und Ohnmacht – entstanden durch eine Krankheit oder einen Virus, durch Feuer oder Wasser – wegschauen kann auf den, der helfen kann. Das befreit und erleichtert, das ermutigt und gibt Gelassenheit – auch im Warten. Selbst wenn die göttliche Hilfe dann vielleicht ganz anders aussieht, als ich es erwartet habe. Göttliche Hilfe kommt in Form von Impfstoff und menschlicher Hilfe daher.

Gibt es noch Hoffnung für uns? Der Prophet Jeremia ist überzeugt davon.

Ich finde es faszinierend zu sehen, wie die menschliche Solidarität in Zeiten der Corona-Krise oder jetzt bei der Flutkatastrophe stärker gewesen ist als Ängste und Egoismus. Menschen haben sich sehr viel einfallen lassen, was wir unter der Überschrift „Barmherzigkeit“ verbuchen können. Auch die Gottesdienste, die wir um der Barmherzigkeit willen unter großen Vorsichtsmaßnahmen auf Abstand oder Video oder per Brief gefeiert haben. So viele Menschen haben einander geholfen mit Engagement und Kreativität, und sich in andere hineinversetzt und sich für sie eingesetzt. Diese große Kraft wurzelt in Gottes Barmherzigkeit. Sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende, solange er Menschen schickt, die anderen helfen in Deutschland, aber auch in Kabul und sonst überall auf der Welt. Auch wenn er uns Leiden schickt, erbarmt er sich doch wieder über uns, weil seine Liebe so reich und groß ist.

Liebe Gemeinde!

Auch wenn er uns Leiden schickt, erbarmt er sich doch wieder über uns, weil seine Liebe so reich und groß ist. (Klagelieder 3,32) Was für ein Weitblick Jeremias! Gottes unbegreiflicher Weg mit uns, dient seinem Ziel. Wir dürfen lernen, trotz allem Leid seiner Güte zu vertrauen, dass er es dennoch gut mit uns meint. Trotzdem tut es manchmal weh, wenn Gott uns andere Wege als die von uns gewünschten und erbetenen führt. Erst recht tut es weh, wenn er uns etwas nimmt, was seinem Liebesplan mit uns im Weg steht. Ihm ist alles untergeordnet, was Gott in unser Leben hineinordnet oder darin zulässt. Hinter allem steht sein nie endendes Erbarmen und seine große Güte! Gottes Treue ist immer auch mit seinem Mitleid verbunden. Dem Volk wird verheißen, dass es nicht endgültig vernichtet wird. Hoffnung und Geduld empfiehlt Jeremia seinen Zuhörern. Es kann sein, dass das Volk den Plan Gottes nicht versteht. Das nimmt der Prophet auch so wahr. Aber weil Gott gut ist, kann sein Volk ruhig auf die Rettung warten, auch wenn es seinen Plan nicht versteht.

Liebe Gemeinde!

Am Ende weiß Jeremia und am Ende wissen wir: Gottes Erbarmen ist viel größer als unser Kleinmut. Gott erbarmt sich wieder. Seine Barmherzigkeit galt dem Volk damals. Und sie gilt uns heute. Das ist alles nur sehr schwer vorstellbar. Manchmal wünschen wir uns ja, es müsste einen Automaten geben, in dem man oben einen Wunsch eingibt und unten heraus kommt ein Zettel, auf dem steht, dass Gott unsere Wünsche erfüllt. Aber Gott hört auf unser Gebet nicht immer in dem Tempo, wie wir es uns so vorstellen. Er handelt anders.
Martin Luther King (1929–1968) hat einmal gesagt: „Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.“ Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Die Liebe, Güte und Barmherzigkeit Gottes, heute und alle Tage des Lebens

Fürbittengebet:
Lasst uns beten zu Gott,  der uns mit seiner Barmherzigkeit nahe ist: Barmherziger Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Für alle Menschen, die frohen Mutes leben, die sich auf ein persönliches Ereignis freuen und erwartungsvoll darauf zugehen: Barmherziger Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Für die vielen, die sich Sorgen machen um unsere Erde und sich für den Erhalt der Schöpfung einsetzen. Barmherziger Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Für alle, die von der Pandemie besonders betroffen sind und für die, die Entscheidungen treffen müssen: Kranke und Pflegekräfte, Virologen und Politiker, Erzieherinnen und Ärzte. Barmherziger Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Für die Menschen, die in den Kriegs- und Krisengebieten der Erde auf eine bessere Zukunft hoffen. Barmherziger Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Für alle, die sich darum sorgen, dass auch in diesen Zeiten die Botschaft der Kirche die Menschen erreicht im Wort und durch die Musik, durch Gebet und Werke der Barmherzigkeit. Barmherziger Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Guter Gott, begleite uns auf allen unseren Wegen mit deiner Barmherzigkeit. Schenke uns die Zuversicht des Glaubens. Dein ist die Zeit, heute und in Ewigkeit.