Nachruf für Pfarrer i. R. Gerd Johenneken

Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Jesaja 46,4

Am Ostersonntag, dem 4. April 2021, ist

Pfarrer i. R. Gerd Johenneken

– der den Evangelischen in Rheindahlen vom 1. April 1964 bis zum
30. Dezember 1973 mit der Predigt des göttlichen Wortes als Seelsorger
und Pastor gedient hat – heimgegangen zu unserem Herrn.

Rudolf Gerhard Johenneken wurde am 26. Mai 1929 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Im Jahr 1945 schloss er sich dem CVJM an, absolvierte von 1950 bis 1953 das theologische Seminar Johanneum in Barmen und wurde 1953 eingesegnet. Die Gemeinde Wuppertal berief ihn als Gemeindediakon. 1954 wechselte er in die Wuppertaler Stadtmission und 1955, nach dem 1. katechetischen Examen, als Katechet in die Diasporagemeinde Jülich. Nach dem 2. katechetischen Examen und der Vokation im Jahre 1957 wurde er im April 1959 in der Christuskirche in Jülich ordiniert und ging dann 1961 als Katechet in die Evangelische Kirchengemeinde Rheydt. Rheindahlen gehörte damals zum 4. Pfarrbezirk der Rheydter Kirchengemeinde. Der für diesen Pfarrbezirk zuständige Pfarrer und spätere Superintendent Hermann Luckenbach betraute den Katecheten Johenneken besonders mit der seelsorgerlichen Betreuung der Evangelischen in Rheindahlen. Nachdem Gerd Johenneken am 1. April 1964 zum Gemeindemissionar berufen und ihm die neugeschaffene Gemeindemissionarsstelle in der Kirchengemeinde Rheydt als Pastor übertragen wurde, konnten sich die evangelischen Rheindahlener über ihren eigenen, nur für sie zuständigen Pastor freuen.
Am 1. Januar 1970 erfolgte dann die Trennung von der Evangelischen Kirchengemeinde Rheydt, und die Evangelische Kirchengemeinde Mönchengladbach-Rheindahlen wurde mit einer Pfarrstelle, die Pastor Gerd Johenneken zur Verwaltung übertragen wurde, selbständig. Am 30. Dezem- ber 1973 verabschiedete sich Pastor Johenneken von der Rheindahlener Ge- meinde mit einer Predigt über den Text Jesaja 46,4, um seinen Dienst in der Evangelischen Kirchengemeinde Wuppertal-Hatzfeld anzutreten, der er von 1974 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1991 als Pfarrer diente.
Das Prophetenwort, mit dem sich Pfarrer Johenneken am 30. Dezember 1973 von der Rheindahlener Gemeinde verabschiedete und das wir auch im Dankgottesdienst anlässlich seines 80. Geburtstags am 1.Juni 2009 in unserer Martin-Luther-Kirche Rheindahlen bedacht haben, soll uns an Pfarrer Johenneken erinnern. In seiner Abschiedspredigt über das Prophetenwort aus Jesaja 46 stärkte er damals die Gemeinde mit dem Wort der Verheißung Gottes, dass er die Seinen tragen will bis ins Alter und bis sie grau werden, dass er sie heben, tragen und erretten will mit der festen Zusage: „Ja ,ich will es tun“.
In der Januarausgabe 1974 des Gemeindeblaמּes KIRCHE AKTUELL schrieb er der Gemeinde einen Brief, in dem er noch einmal alle Gemeindeglieder in Rheindahlen grüßte:

„Meine Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern!
Heute möchte ich Sie besonders herzlich grüßen, denn wenn Sie die neue Nummer „Kirche Aktuell“ in den Händen halten, werde ich meinen Dienst in der neuen Gemeinde aufgenommen haben.
Abschied haben wir eigentlich schon vor vielen Wochen genommen, dass ich danach noch einige Zeit in unserer Gemeinde sein konnte, sehe ich rückblickend als Gnade an.“

Pfarrer Johenneken hat nicht nur die damaligen Ereignisse als Gnade Gottes dankbar angenommen, sondern er hat im gesamten Rückblick auf seinen Dienst und sein Leben voller innerer Überzeugung gesagt: „Wir leben nur von der Gnade“.
Als er sich damals von der Rheindahlener Gemeinde verabschiedete, um einem Ruf in die Gemeinde Wuppertal-Hatzfeldt zu folgen, durfte er auch diesen Ruf in eine andere Gemeinde als Zeichen der Gnade Gottes dankbar annehmen. Darum fiel ihm der Abschied von Rheindahlen nicht schwer, wie es aus seinem Wort an die Gemeinde im Januar 1974 deutlich wird. Er schrieb damals: „Ich nehme nicht schweren Herzens Abschied, denn ich weiß, dass sich die Gemeinde Rheindahlen in guten Händen befindet.“
Pfarrer Johenneken hat durch Gottes Gnade und mit seiner Hilfe dafür auch die Grundlage gelegt: durch die Verkündigung des göttlichen Wortes, durch die Seelsorge an den ihm anbefohlenen Menschen, aber auch durch so manche tatkräftige organisatorische Aufbauarbeit, die er in Rheindahlen geleistet hat.
Stellvertretend für viele Aufgabenbereiche, die Pfarrer Johenneken damals am Herzen lagen, sei das schon damals wichtige Gebiet der Ökumene genannt, auf dem er sich in Rheindahlen in hervorragender Weise engagiert und damit auch die Grundlage für die seit Jahrzehnten in Rheindahlen gewachsene, schon fast sprichwörtlich gute Ökumene in Rheindahlen gelegt hat.

Hier müssen wir daher ein wenig Rückschau halten: Seit längerem schon waren in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts die evangelischen Christen Rheindahlens darum bemüht, eine eigenständige evangelische Gemeinde zu gründen, die nicht mehr vom Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Rheydt abhängig war und ihre Geschicke selbst lenken konnte – auch im Hinblick auf die ökumenische Zusammenarbeit mit den katholischen Mitchristen von der Pfarrgemeinde St. Helena, denen man sich durch viele gute Begegnungen geschwisterlich verbunden fühlte.
Pfarrer Johenneken hat diese Bestrebungen nach Kräften unterstützt und wir dürfen ihm für diese wichtige Initiative den Dank des Presbyteriums und der ganzen Gemeinde aussprechen. Denn wie sich jedermann überzeugen kann, hat die Selbständigkeit der Rheindahlener Gemeinde mit allen damit verbundenen Möglichkeiten reiche Früchte getragen.
Pfarrer Johenneken ließ sich niemals entmutigen, und so durfte er am 4. Januar 1970 die Errichtung der selbständigen Evangelischen Gemeinde Mönchengladbach-Rheindahlen gemeinsam mit vielen Gästen zusammen mit der ganzen Gemeinde in einem Festgottesdienst feiern.
Oberpfarrer Helmut Rottleb von der Katholischen Pfarrgemeinde St. Helena, mit dem er stets gut zusammengearbeitet hat, richtete ein Grußwort an die junge Gemeinde Rheindahlen. Er habe mit Freude das Werden dieser Gemeinde verfolgt. An der Freude nehme die ganze katholische Pfarrgemeinde teil. Er sprach von dem gemeinsamen Auftrag, den die beiden Kirchen haben, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen. Er erinnerte an die große Aufgabe, die noch Fernstehenden mit der Botschaft zu erreichen und sie zu den Gemeinden und ihren Gottesdiensten hinzuführen.
Er wünschte sich eine gute Zusammenarbeit zwischen Presbyterium und Pfarrgemeinderat und überreichte eine Geldgabe als ein echtes Geschenk der Katholischen Pfarrgemeinde St. Helena, einen ersten Grund-und Baustein für ein hoffentlich bald entstehendes neues Gemeindezentrum. Die Gabe war in allen Goמּesdiensten am 1. Januar 1970 von den katholischen Gemeindegliedern gesammelt worden. Sie wurde mit großem Dank entgegengenommen und bedeutete einen Markstein auf dem Weg der weiteren Entwicklung der Ökumene in Rheindahlen.

Ein weiterer, überzeugender Beweis für das Wachsen des gegenseitigen ökumenischen Verständnisses war das großherzige Angebot der Katholischen Pfarrgemeinde, die jährlichen Konfirmationen, die wegen der Raumnot im Gemeindehaus an der Mennrather Straße auf zwei Gottesdienste aufgeteilt und jeweils um 9.00 Uhr und 10.30 Uhr hintereinander gehalten werden mussten, zukünftig in der Pfarrkirche St. Helena feiern zu können. Dieses Angebot wurde von der jungen Evangelischen Gemeinde erstmals bei der Konfirmation am 7. Mai 1972 sehr gerne angenommen; seitdem fanden alle Konfirmationsgottesdienste der Rheindahlener Evangelischen Gemeinde bis zum Jahr 1983, in dem die Martin-Luther-Kirche fertiggestellt werden konnte, in der Pfarrkirche St. Helena statt, und es war für die Evangelische Gemeinde eine große Freude, dass Oberpfarrer Rottleb von der Katholischen Gemeinde es sich nicht nehmen ließ, dem Konfirmationsgottesdienst beizuwohnen und den Neukonfirmierten gemeinsam mit den Mitgliedern des Presbyteriums persönlich zur Konfirmation zu gratulieren. Wahrhaftig ein für alle sichtbares Symbol echter, gelebter Ökumene.
Schon kurze Zeit später, am 20. Juni 1971, wurde in St. Helena anlässlich einer Rheindahlener Festwoche ein ökumenischer Gottesdienst gehalten, in dem evangelische und katholische Christen offiziell einen gemeinsamen Gottesdienst unter dem Motto Auf dass sie alle eins seien feiern konnten. Man war sich in dieser frühen Zeit grundsätzlich darüber klar: Wir bitten nicht um eine konstitutionelle Einheit der Kirche, sondern um Einheit und Einigkeit im Glauben. Die Gebete und Lesungen hatte Oberpfarrer Rottleb übernommen, die Predigt hat Pfarrer Johenneken gehalten. An diesem Sonntag fiel der evangelische Gottesdienst zugunsten des ökumenischen Gottesdienstes in St. Helena aus.
Am 29. Oktober 1971 fand dann in der Grundschule Geusenstraße eine Ökumenische Feierstunde statt, in der Abt Athanasius aus Trier einen Vortrag hielt über das Thema Anstöße der Reformation für die Kirche von Heute. Die Begrüßung hielt Oberpfarrer Rottleb, die Liturgie wurde von Pfarrer Johenneken gestaltet und die musikalische Begleitung hatte der Posaunenchor des CVJM der Evangelischen Kirchengemeinde Rheydt übernommen. Zu dieser Feierstunde hatten offiziell die Evangelische Kirchengemeinde und die Katholische Pfarrgemeinde eingeladen.
Einen besonderen Beitrag zum ökumenischen Miteinander der katholischen und evangelischen Gemeinde leistete eine ökumenische Veranstaltung anlässlich des Reformationsfestes am 31. Oktober 1972, die im Kirchsaal des evangelischen Gemeindehauses an der Mennrather Straße stattfand: Der damalige katholische Regionaldekan Erlemann sprach über das Thema Emanzipierte Gemeinde und ihr Gottesverständnis Heute. Leitgedanke des Vortrages war: Christus hat nur eine Kirche gemeint, nämlich die Gemeinschaft der Jesus-Nachfolger. Zwei Lieder, beide im katholischen und im evangelischen Gesangbuch stehend, „wurden kräftig und glaubhaft froh gesungen“, wie die KIRCHLICHEN NACHRICHTEN über die ökumenische Versammlung berichteten.
Einen Einschnitt in der sich so positiv entwickelnden ökumenischen Beziehung beider Rheindahlener Kirchengemeinden bedeutete der Weggang von Pfarrer Johenneken aus Rheindahlen. Er war einem Ruf in die Kirchengemeinde Wuppertal-Hatzfeld gefolgt und trat dort am 1. Januar 1974 seinen Dienst an, nicht ohne sich vorher auch im Katholischen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Helena verabschiedet zu haben. In diesem Gottesdienst wurde sein ökumenisches Wirken gewürdigt, und er bedauerte selbst in seiner Predigt, die Früchte seiner Bemühungen um ein rechtes ökumenisches Verhältnis der beiden Gemeinden und ihrer leitenden Organe nicht ernten zu können.
Doch es ging weiter mit der Ökumene, und sowohl meine Nachfolgerin Pfarrerin Christiane Fiebig-Mertin als auch ich selbst durften gemeinsam mit dem Presbyterium und der ganzen Gemeinde die Früchte seines Wirkens reichlich ernten. Daher danken wir alle auch gemeinsam Pfarrer Gerd Johenneken für die Jahre seines so engagierten, treuen und unverwechselbaren Dienstes in unserer Gemeinde.
Wir haben der von Pfarrer Johenneken gründeten Evangelischen Gemein- de in Rheindahlen den Namen Evangelische Martin-Luther-Kirchengemeinde “gegeben. Luther nahm sein Leben und Wirken als Gnadengeschenk aus Goמּes Hand. Auch Pfarrer Johenneken hat seinen Dienst getan – getragen allein von Goמּes Gnade Er sah sein ganzes persönliches Leben ebenso und er nahm jeden Tag wie einen Festtag dankbar aus Goמּes Hand.
Er befahl an jedem Tag seines Lebens unserem Gott und Herrn seine Wege, und er hatte das feste Vertrauen, dass Gott ihn und seine liebe Frau, die mit ihm gemeinsam segensreich in unserer Gemeinde gewirkt hat, tragen würde bis ins das 92. Lebensjahr hinein so, wie es unser Prophetenwort sagt: „Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten“.

Pfarrer i. R. Hans-Ulrich Rosocha