Über den Tellerrand schauen! Teil8

Jom Kippur

Jom Kippur , ist der höchste jüdische Feiertag. 

Zehn Tage nach dem jüdischen Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“ feiern Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt „Jom Kippur“.  Das Datum von Jom Kippur ändert sich von Jahr zu Jahr, da der jüdische Kalender immer nach dem Mond berechnet wird. Nach dem Gregorianischen Kalender fällt Jom Kippur auf unterschiedliche Tage im September oder Oktober.

Frauen ab 12 und Männer ab 13 Jahren müssen 25 Stunden lang fasten. Die Mädchen oder Jungen werden an diesem Tag in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen. Das ist in etwa mit der Konfirmation vergleichbar. Vom Sonnenuntergang des Vortags bis zum nächsten Sonnenuntergang darf man weder essen noch trinken. 

Vor Sonnenuntergang wird das „Kol Nidre“ gebetet. Es enthält ein Sündenbekenntnis, in dem um Vergebung gebeten wird. 

Nach jüdischem Glauben verzeiht Gott einem seine Sünden erst, wenn man sich vorher mit den Menschen versöhnt hat, mit denen man sich gestritten hat. Deshalb entschuldigen sich viele Menschen bei Menschen, die sie geärgert haben. Oft braucht man Mut um zum anderen zu gehen und sich zu entschuldigen. Eine solche Tradition des-sich-beim-Nächsten-entschuldigen hätte auch etwas Gutes für nicht-jüdische Menschen. 

„Jom“ steht für „Tag“ und „Kippur“ für „Versöhnung“, aber auch für „bedecken“. Man übersetzt „Jom Kippur“ als „Tag der Versöhnung“, könnte ihn aber auch mit „Tag der Bedeckung“ übersetzen. Heute würden wir sagen „Schwamm drüber“. 

Damit ist gemeint, dass Gott an diesem Tag alle wirklich ernsthaft bereuten Sünden vergibt. In biblischer Zeit war der Jom Kippur der einzige Tag im Jahr, an dem der Hohepreister das Allerheiligste des Tempels betrat, um es mit Opferblut zu besprengen. In einer weiteren Zeremonie wurden die Sünden des Volkes symbolisch einem Bock aufgeladen. Ein anderer soll die Schuld wegtragen, die man selbst nicht tragen kann und will. Dieser „Sündenbock“ wurde nicht geschlachtet sondern „in die Wüste geschickt“. (3. Mose 16, 21-22) 

An Jom Kippur tragen viele Juden keine Dinge aus Leder, wie Taschen, Schuhe und Jacken. Das Leder erinnert sie daran, dass viele Tiere für diese Dinge getötet werden müssen. Außerdem waren Schuhe und andere Dinge aus Leder früher Luxusartikel, und diese sind in der Fastenzeit verboten.
Vor allem orthodoxe Juden kleiden sich an Jom Kippur in ihre weißen Totenhemden, die sie später einmal im Sarg tragen werden. Der Grund: Weiß ist die Farbe der Reinheit. Die weißen Totenhemden sind ein Zeichen dafür, dass ihre Träger vor Gott treten, der über sie richtet – und sogar ein Todesurteil fällen kann.

An diesem Feiertag wollen die jüdischen Menschen zur Ruhe kommen. Die Gläubigen bleiben zuhause, fasten und verrichten keinerlei Arbeiten. Der Tag gehört ganz dem Nachdenken über das eigene Leben und den Glauben. Viele Juden hören an diesem Tag auch kein Radio und lassen Fernseher und Internet ausgeschaltet und sprechen stattdessen miteinander.

Jom Kippur ist ein besinnlicher Tag, an dem sie sich mit Gott und mit ihren Mitmenschen versöhnen wollen. Viele jüdische Familien besuchen gemeinsam die Synagoge. In Israel sind an Jom Kippur alle Restaurants geschlossen. Das öffentliche Leben steht still. Grenzen und Flughäfen sind ebenfalls geschlossen. Die Menschen gehen spazieren und die Straßen sind fast vollständig autofrei. Nur Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei fahren. Dafür sind viele Radfahrer unterwegs. Ein klimafreundlicher Tag.

Mit dem Blasen des Schofarhorns wird Jom Kippur offiziell beendet

Dass Israel an Jom Kippur still steht, nutzten Syrien und Ägypten im Oktober 1973 aus und begannen einen Krieg. Dieser Krieg ist als Jom-Kippur-Krieg bekannt. Gewonnen haben ihn die Israelis. Aber heute ist die Armee an diesem Tag besonders wachsam.

 „Jom Kippur“, „Tag der Versöhnung“, „Tag der Bedeckung“, „Tag des Sündenbockes“! Wäre es nicht gut, wenn wir allen Streit, allen Krieg vergessen würden und sagen könnten: „Schwamm drüber“? Und das nicht nur für einen Tag sondern für viele Jahre? Aber das wäre wohl schon das Paradies auf Erden.

Ihre Pfarrerin