Die Schuke-Orgel

Grußwort

Sehr geehrte Gemeinde! 

Der Auftrag zum Neubau einer Orgel ist für den Erbauer in jedem Fall eine besondere Ehre. Schließlich konnten sich sein Konzept und Angebot zunächst gegen eine Reihe von immer ernstzunehmenden Mitbewerbern durchsetzen, wobei er sich immer wünscht, daß es vor allem Ausführungsmerkmale wie Entwurf und solide Verarbeitungsprinzipien einer Werkstatt sind, die bei der Auftragserteilung den Ausschlag geben und nicht vorrangig wirtschaftliche Entscheidungskriterien eines nüchternen Preis/Leistungsverhältnisses. 

Doch bedeutet Ehre auch Herausforderung. Jedes Instrument stellt diesen Anspruch in künstlerischer und technischer Hinsicht aufs neue. Nach ersten Überlegungen zum Orgelstandort erwies sich die Plazierung des Instruments auf der Empore als die doch günstigste Lösung: eine seitenspielige Brüstungsorgel ermöglicht den Principal 8′ ab C im Prospekt und erspart den sonst entsprechend großen Gehäuseunterbau. Nahe der Fensterwand ist das Instrument mit seinen 14 Registern, verteilt auf 2 Manuale und Pedal, auch für den erweiterten Kirchraum ausreichend disponiert. Die Vielfalt an Klangfarben ermöglicht ein breites Spektrum an Orgelliteratur der vergangenen – und sicher auch der gegenwärtigen Musikepoche. 

So möge die neue Orgel das musikalische Leben Ihrer Gemeinde bereichern und etwas von der Freude vermitteln, aus der heraus wir dies Instrument geschaffen haben. Es werde Ihnen ein zuverlässiger und nicht mehr wegzudenkender Begleiter im Gottesdienst und im Konzert. 

Dank haben wir allen Beteiligten auszusprechen, die uns diese Arbeit ermöglicht haben und für das uns aus Ihrer Gemeinde heraus mit offenem Herzen entgegenbrachte Vertrauen.

Orgelbaumeister
Geschäftsführer

Die Orgel im christlichen Gottesdienst

„Was die Orgeln anlanget, so sind wir aus Göttlicher Schrift gewiss, dass man Gott  auch mit Instrumenten lobet. Es ist die instrumentalis musica eine solche Gabe Gottes, die die Gemüter der Menschen kräftig zu bewegen vermag, auch wenn mit menschlicher Stimme nicht darunter gesungen wird.“ So äußerte sich die Theologische  Fakultät zu Wittenberg im Jahre 1597. Es hat Kämpfe gekostet, bis die Orgel in unseren Gottesdiensten ihren festen Platz bekam.

Die ersten Orgeln  erklangen schon vor Christi Geburt im römischen Zirkus. Später dienten sie, vor allem am byzantinischen Hof, der Verherrlichung des Kaisers. (Die Orthodoxe Kirche lehnt sie deswegen bis heute ab.) Die erste Orgel, die nördlich der Alpen aufgestellt wurde, war ein Geschenk Kaiser Konstantin Kopronymos VI. an Pipin den Kleinen; sie kam 757 nach Compiègne. Im Jahre 812 schenkte Kaiser Michael Rhangabas Karl dem Großen eine Orgel für  den Dom zu Aachen.

Die mittelalterlichen Orgeln dienten im wesentlichen zur frommen Erhebung des Volkes. Sie waren Attribut besonderer Festlichkeit. Als „Inbe- griff falschen Prunkes aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft unter der alten Kirche“ traf sie der Zorn der Reformatoren Calvin und Zwingli. Was konnte ein wort-loses Instrument in der Kirche des „Wortes“ auch zu suchen haben?

So wurden vor allem in den Niederlanden die „Papstleiern“ aus den Kirchen verbannt. Erst nach Jahrzehnten, oft Jahrhunderten wurden sie wieder eingebaut. Ganz ähnlich war es in der Schweiz. Für den Reformator Huldreich Zwingli barg alle gottesdienstliche Musik die Gefahr in sich, „die Sinne zu berauschen und von der Hauptsache abzulenken.“ Er verbannte deshalb jegliche Musik aus dem Gottesdienst. Die Folge war die Entfernung oft wertvoller Instrumente aus den Kirchen.

Doch auch dies gab es, vor allem in Holland: Die Durchführung kirchlicher Synodalbeschlüsse zur Orgelbeseitigung scheiterte daran, dass die Orgeln z. T. in städtischem Besitz waren.

Folglich war das Orgelspiel Sache der Stadtverwaltung, nicht der Kirche. Die Orgeln erklangen in Konzerten für die Kaufleute und Bürger der Stadt außerhalb des gottesdienstlichen Rahmens, Vorbild für die „Lübecker Abendmusiken“ hundert Jahre später. Die reformierten Gemeinden achteten allerdings streng darauf, dass ihr

Gottesdienst durch das Spiel der Orgel nicht “behindert“ wurde. Wo in reformierten Kirchen Orgeln entfernt worden waren, wurden sie später wieder eingebaut. Doch geschah dies meist zu dem Zweck, den oft dürftigen und schleppenden Gemeindegesang zu begleiten.

In den lutherischen Kirchen bekam die Orgel nach Johann Sebastian Bachs Tod zunehmend die gleiche zweitrangige Funktion als reines Choralbegleitinstrument zugewiesen, nachdem zuvor vor allem in Nord- und Mitteldeutschland Orgelmusik und Orgelbau in hoher Blüte gestanden hatten. Die Theologie im Zeitalter des Pietismus und der Aufklärung und der damit verbundene Verfall der Gottesdienst-Liturgie bewirkten einen Niedergang der liturgischen Orgelkunst. Soweit überhaupt noch für Orgel komponiert wurde, wandte man sich von der gottesdienstlichen Orgelmusik ab und schrieb statt dessen Orgelsonaten und Orgelsymphonien im Sinne der Wiener Klassik. Die Agendenreform durch den preußischen König, der aufblühende Orgelbau aufgrund der finanziell reicher werdenden Gemeinden, schließlich die Orgel- und Singbewegung zu Beginn unseres Jahrhunderts führten aus diesem Niedergang heraus.

Die Frage, ob Orgelneubauten heute angesichts leerer Haushaltskassen und zunehmender sozialer Nöte zu rechtfertigen sind, ist berechtigt. Sind Gottesdienste auch ohne  Orgelspiel denkbar? Schließlich geben sich mancherorts Gemeinden damit zufrieden, wenn ihr Gesang von einer einzelnen Gitarre begleitet wird. Orgelspiel im Gottesdienst ist entbehrlich. Unentbehrlich ist es, wenn etwas anderes ebenso als unentbehrlich bezeichnet wird, an das die Erzählung von der Salbung Jesu in Bethanien (Mt. 26, 6-13) erinnert: Der Überfluss und die Verschwendung. Einzig und allein darum, weil Jesus Christus anwesend ist, wird das kostbare Salböl verschwendet, obwohl Arme da sind, die von dem Erlös hätten gesättigt werden können. So angemessen und nötig wie diese Verschwendung ist die Erbauung einer kostbaren Orgel, weil damit die Gegenwart Jesu Christi bekannt und ausgerufen werden kann.  Gerade das Überflüssige im Gottesdienst ist für den Glauben der Gemeinde unentbehrlich, denn es zeigt, dass der Überfluss an Vergebung den Überfluss an Dank hervorruft.

Die Martin-Luther-Gemeinde Rheindahlen sei im Luther-Jahr an die Schöpfungsbestimmung der Musik  erinnert, die der Reformator uns im Jahre 1530  hinterlassen hat:

„Ich liebe die Musik, und es gefallen mir die Schwärmer nicht, die sie verdammen.

Weil sie

  1. ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen ist,
  2. Weil sie die Seelen fröhlich macht,
  3. Weil sie den Teufel verjagt,
  4. Weil sie unschuldige Freude weckt.

Darüber vergehen

  •    die Zornanwandlungen,
  •    die Begierden,
  •    der Hochmut.

Ich gebe der Musik den ersten Platz nach der Theologie . Das ergibt sich aus dem Beispiel Davids und aller Propheten, weil sie all das Ihre in Metren und Gesängen überliefert haben.

5. Weil sie in der Zeit des Friedens herrscht.

Haltet also aus, und es wird bei den Menschen nach uns besser mit dieser Kunst stehen, weil sie im Frieden leben. Ich lobe die Fürsten Bayerns deshalb, weil sie die Musik pflegen. Bei uns in Sachsen werden die Waffen und Bombarden gepredigt.“  

Der 150. Psalm fordert uns zum Lobe Gottes mit unseren Stimmen und Instrumenten auf. Loben wir unseren Gott auch mit der wohlklingenden Orgel. „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. Halleluja!“ (Psalm 150. 6).

Karl Bernhard  Meyer