Online-Gottesdienst zum Israelsonntag 2022

Liebe Gemeinde!

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Im Jahre 70 nach Christi trugen die römischen Legionäre schwer an ihrer Kriegsbeute, die sie aus dem Tempel in Jerusalem erbeutet hatten. Da waren u.a. der siebenarmige Leuchter, der Tisch für die Schaubrote, die Posaunen, die zum Gebet riefen. Was war passiert?

Der Tempel von Jerusalem war entweiht und ausgeplündert worden.

Warum? Die Bewohner der Provinz Judäa hatten die Macht der Römer in Zweifel gezogen. Sie hatten aufbegehrt gegen die fremde Herrschaft im eigenen Land. Sie hatten sich gewehrt gegen die römischen Gesetze und Steuern und vor allem dagegen, dass sie den römischen Kaiser und seine Bilder als gottgleich verehren sollten. Immer wieder hatten die Besatzer die jüdische Bevölkerung damit provoziert. Und als der Konflikt eskalierte, schlugen sie brutal zurück.

Darum wurde der Tempel von Jerusalem entweiht und ausgeplündert. Dann ging der Tempel in Flammen auf und brannte nieder, bis das sichtbare Zentrum jüdischen Glaubens verschwunden war – bis auf die Klagemauer. Bis heute.

An der Klagemauer fühlen sich viele Jüdinnen und Juden Gott so nahe wie sonst nirgendwo. Daher kommen an jedem Tag sehr viele Gläubige aus der Stadt und aus der ganzen Welt zum Beten an diesen Ort. 

Viele Menschen stecken kleine, handgeschriebene Zettel mit Wünschen und Gebeten in die Ritzen der Mauer. 

Viele Menschen stecken kleine, handgeschriebene Zettel mit Wünschen und Gebeten in die Ritzen der Mauer. An der Klagemauer fühlen sich viele Menschen Gott so nahe wie sonst nirgendwo, da sie keinen Tempel mehr haben. Und unwillkürlich stellt man sich die Frage:

Wo ist Gott, wenn sein Haus verschwindet und es keinen heiligen Ort mehr gibt? Was ist wenn Heilige Orte heute, wie Kirchen, Synagogen verschwinden würden, so wie damals 70 nach Christi.

Fragen werden gestellt:

  •  Wo wohnt Gott?
  • In einem Zelt – so wie damals als das Volk Israel durch die Wüste zog?
  • In einem riesigen Dom?
  • Warum verhindert Gott –  der Allmächtige – nicht die zerstörung seien Wohnstätten? 

Hat sich der Gott, der versprochen hatte, Israel zu segnen, zu begleiten, groß zu machen … etwa zurückgezogen? Schon als der Tempel noch stand, ahnte man, dass Gott zu groß sei, als dass ein Haus – ein Tempel … und sei er noch so riesig – Gott fassen könnte. Und doch war der Tempel gebaut worden…… so wie auch Kirchen gebaut worden sind.

Menschen haben nun mal einen Sinn für besondere heilige Orte, weil wir gerade dort Antworten auf die Fragen unsres Lebens erhalten möchten. Das Bedürfnis nach Tempeln und Kirchen ist groß, weil wir dort auf das offenbarte Wort Gottes treffen und eine andere Form der Nähe zu Gott und seiner Heiligkeit dort spüren. Als im Jahr 70 n. Chr. der heiligste Ort der Juden verschwunden war, erfüllte Klage die Straßen Jerusalems. 

Und doch: Aus der Gewissheit, dass Gott dort ist, wo das Gute unter den Menschen wohnt, erwuchsen Ideen für einen Gottesdienst, der ohne Tempel auskommen konnte. 

Es wuchs die Erkenntnis: Es können zwar der siebenarmige Leuchter, der Tisch für die Schaubrote und die Posaunen entweiht werden und durch die Straßen getragen werden, aber Gott kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ihn kann man nicht durch die Straßen tragen…

Und so blieb die Hoffnung, dass Gott sich auch in und nach dieser Katastrophe finden lassen würde. Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat, heißt es im Psalm 33,12. Lange Zeit dachten Christen, Gott hätte das Volk Israel von sich weggestoßen und sich stattdessen der Kirche Jesu Christi zugewandt. Durch die Tempelzerstörung fühlten einige sich darin sogar noch bestätigt. Sie hielten sich selbst für Gottes wahre Erben. Welche Katastrophen hat dieses denken hervorgebracht. Und es scheint dieses Denken immer noch zu geben, wenn man die Nachrichten verfolgt. Inzwischen sollten wir aber erkannt, dass Gott keine Lieblingskinder hat. Unter all den Kindern Gottes auf der Welt sind Juden und Christen besonders eng verbunden. Uns verbindet nicht nur die Hebräische Bibel, sondern vor allem die Überzeugung, dass Gott sich immer wieder finden lässt. Und uns verbindet die Sehnsucht nach einer gotterfüllten Zukunft, in der alle Orte heilig werden darin, dass man an ihnen Gott begegnen kann. 

Aber- fragt nun der kritische Geist – wenn ich Gott überall begegnen kann, braucht man dann überhaupt noch einen Tempel, eine Synagoge oder auch eine Kirche oder eine Moschee?

Gott braucht diesen Ort zwar nicht, aber wir Menschen benötigen ihn. Wir benötigen heilige Orte um uns dort von der Geschichte Gottes mit den Menschen ergreifen zu lassen, um uns dort zu treffen, beieinander zu sein, um zu fragen, zu beten, zu hören. Darum sind Heilige Orte, wie z.B. der letzte Rest der Tempels von Jerusalem, die Klagemauer wichtig. Darum sollte es sie immer geben: die Heiligen Orte, wie Tempel, Synagogen und Kirchen.

Amen.


Menschen beten an der Klagemauer in Jerusalem, Israel